Mediales Empowerment ins Rampenlicht stellen
Mediales Empowerment ins Rampenlicht stellen

Die Titelträgerinnen Kopftuchmädchen und Gratitude Verlag teilen ihre einzigartigen Geschichten mittels eigener Publikationen. Durch Podcasts, Events und Bücher gewinnt der deutsche Pressemarkt so an Repräsentation und Perspektiven.

Mediales Empowerment ins Rampenlicht stellen

Die Titelträgerinnen Kopftuchmädchen und Gratitude Verlag teilen ihre einzigartigen Geschichten mittels eigener Publikationen. Durch Podcasts, Events und Bücher gewinnt der deutsche Pressemarkt so an Repräsentation und Perspektiven.

Mediales Empowerment ins Rampenlicht stellen

Tageszeitungen, Radio und Fernsehen haben nicht nur die Aufgabe zu unterhalten. Vor allem sollen sie informieren und ein ausgewogenes Bild dessen zeichnen, was sich in Deutschland tut – Stichwort Rundfunkstaatsvertrag. Leider lässt ein Blick in die Führungsetagen deutscher Medienhäuser einen anderen Schluss zu: Laut einer Studie der Neuen Deutschen Medienmacher*innen von 2020 hatten lediglich sechs Prozent der Chef*innen eine Migrationsgeschichte, alle davon aus EU-Ländern. Unter diesen waren Schwarze Personen und Muslim*innen überhaupt nicht vertreten. Vergleichen wir dies mit dem Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland von 27,3%, so wird klar, wie viel Aufbesserungsbedarf noch vor den hiesigen Redaktionen liegt. Glücklicherweise gibt es immer mehr Unternehmer*innen, die medial ihre Stimme erheben und sich für ein vielfältigeres Angebot zum Lesen, Hören und Schauen einsetzen.

Neues Storytelling für die deutsch-muslimische Community

Um schneller an das Ziel gesellschaftlicher Teilhabe, Chancengleichheit und positivem kulturellen Wandel zu gelangen, hat Gründerin Dalal Mahra ihr eigenes Medienunternehmen ins Leben gerufen. Kopftuchmädchen bringt jene Perspektiven und Themen in den Diskurs ein, die ihr bisher fehlten, sagt sie:

„In der Berichterstattung über Muslim*innen, in politischen Debatten und in der Wahl unserer Protagonist*innen in Filmen und Serien ist der Mangel an Diversität stark zu spüren. Schon mal eine muslimische Superheldin gesehen? Wahrscheinlich nicht. Ich träume davon, dass es viel mehr Platz für muslimische Geschichten und Lebenswelten in den Medien gibt.”

 

Als erstes Medien-Start-up für muslimische Frauenstimmen produziert Kopftuchmädchen einen eigenen Podcast, organisiert Events und stellt in seinem Blog inspirierende Persönlichkeiten vor.

„Kopftuchmädchen erzählt Geschichten muslimischer Frauen, aus ihrer Linse. Das Motto ist: authentisch, schlagfertig, muslimisch. Es geht bei unserem Storytelling-Ansatz darum, Geschichten ihren Raum zu geben und das alles selbstbestimmt, ungeschnitten und unverzerrt.”

 

Kinder und Jugendliche brauchen auch Schwarze Held*innen

Neben den entstehenden digitalen Angeboten ist auch der Buchmarkt nicht zu vernachlässigen. Obwohl die meisten Kinder heutzutage mit dem Tablet Informationen aufsaugen, ist es doch das Buch zum Anfassen, welches die schönsten Erinnerungen kreiert. Unternehmerin Dayan Kodua ist deshalb auf der Mission, Literaturwelten für Kinder und Jugendliche so vielfältig wie möglich zu gestalten.

„In deutschen Kinderbüchern oder im TV gibt es zu wenig Vielfalt hinsichtlich Kultur und Hautfarbe”, erklärt sie. „Der Gratitude Verlag zeigt daher zum Beispiel jungen, Schwarzen Menschen, dass auch sie sich in einem Kinderbuch wiederfinden können und dass auch sie großartige Geschichten zu erzählen haben.”

Persönliche Identifikationsmomente seien ebenso bedeutsam wie die Rolle von Gratitude-Publikationen bei der Ausbildung von Weltansichten und Toleranz aller Kinder, sagt Dayan Kodua weiter:

„Unsere Mission ist es, empowernde Geschichten für Kinder und Jugendliche zu erzählen, in denen wir alle vorkommen. Geschichten mit diversen Perspektiven, die BIPoC als Held*innen feiern. Wenn Kinder schon früh Geschichten über Kinder mit unterschiedlicher Hautfarbe lesen, kommt es gar nicht erst zu einer anerzogenen eingeschränkten Weltsicht.”

Der Pressemarkt befindet sich im Wandel

Jährlich ehrt die Auszeichnung Kultur- und Kreativpilot*innen auch Unternehmen, die sich für eine antidiskriminierende und perspektivenreiche Medienbranche einsetzen. Es ist ein Indikator für den größeren Umschwung, der sowohl gesellschaftlich wie auch wirtschaftlich stattfindet. Doch wie schätzen die Unternehmerinnen selbst diese fortschreitende Entwicklung ein?

„Wir können Frauen, insbesondere muslimische Frauen empowern, sie durch unsere Produkte inspirieren und ihnen eine Community mit Gleichgesinnten bieten”, berichtet Kopftuchmädchen-Gründerin Dalal Mahra. „Das Thema antimuslimischer Rassismus wird immer relevanter und unsere Produkte sind stärker gefragt.”

Auch Gratitude-Gründerin Dayan Kodua teilt diesen Eindruck:

„Die Kinder- und Jugendbuchwelt wird langsam aber sicher vielfältiger”, sagt sie. „Aber dieser Prozess braucht Zeit, Liebe und jene Menschen, die wirklich authentisch diverse Geschichten erzählen.”

Aktuell seien stereotypisierende Narrative um Schwarze Menschen im Literaturkanon beispielsweise noch sehr präsent, ergänzt die Verlagsinhaberin:

„Oft wird in der Schule und in den Medien nur über Schwarze Kinder und Jugendliche in Zusammenhang mit Themen wie Armut oder Krieg gesprochen. Stereotype Darstellungen in Film und Fernsehen tun ihr Übriges. Man kann also gar nicht früh genug damit anfangen, Kindern vielfältige Bücher und Spielsachen zu präsentieren.”

Der wirtschaftliche Erfolg ihres Verlages sowie der anderer marginalisierter Medienmacher*innen belege dabei nicht nur die faktische Nachfrage ihrer Publikationen. Vielmehr sei er ein Hebel, um die kommende Generation beim Finden der eigenen Stimme und des eigenen Potentials zu unterstützen. Der zentrale Mehrwert gehe also weit über wirtschaftlichen hinaus, erklärt sie:

„Der Gratitude Verlag trägt aktiv zu einer vielfältigen deutschen Literaturlandschaft sowie einer sich positiv entwickelnden Gesellschaft bei.”

Das Ziel vielfältig besetzter Chef*innenetagen wird dann hoffentlich auch in nicht allzu ferner Zukunft erreicht.

Fotos: Dalal Mahra, Kopftuchmädchen, Gratitude Verlag, Julius Matuschik, Paul Zimmer, William Veder

Text: Felix Jung