Nachhaltigkeit muss sein, darüber sind wir uns inzwischen einig. Doch wollen Unternehmen nicht nur einen oberflächlich wirkenden Trend bedienen und tatsächlichen Wandel erzeugen, reicht das Schonen der Umwelt allein nicht aus. Auch die soziale und wirtschaftliche Dimension von Nachhaltigkeit gilt es zu berücksichtigen: Ist das Geschäft auch für die Arbeitskräfte im Anbau der Rohstoffe, in der Fertigung, der Auslieferung lohnend? Und ermöglicht es allen Beteiligten ein gesundes Leben mit sozialer Absicherung?

Es sind Fragen, die den stetig fortschreitenden Diskurs rund um Nachhaltigkeit aktuell bestimmen und im sogenannten “Sustainability Triangle” zusammengefasst werden. Dieses bildet nicht nur den allgemein bekannten ökologischen Nachhaltigkeitsfaktor (Biodiversität, Emissionen, Verschmutzung, Abfall) ab, sondern erweitert ihn um wirtschaftliche Nachhaltigkeit (Profitabilität für Hersteller*innen und Konsument*innen) sowie soziale Nachhaltigkeit (Gesundheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt). Holistische Nachhaltigkeit bedeutet, alle drei Faktoren in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die Kultur- und Kreativpilot*innen des Jahrgangs 2021, ReDo und SendMePack, zeigen mit ihren Unternehmen, wie dieser Balanceakt gelingen kann.

Die besten Ideen nach vorne, bitte

Die stärksten Innovationen kommen direkt von den Verbraucher*innen, sagen viele Ökonom*innen. Denn sie wissen genau, was an einem Produkt oder einer Dienstleistung gut funktioniert und was nicht. Nur, wie kann dieses Wissen eingeholt werden? Mit ReDo haben die Gründerinnen Yolanda von Zitzewitz und Luca Christmann eine Möglichkeit kreiert, nachhaltige Produktverbesserungen den Hersteller*innen direkt vorzuschlagen. Unter dem Slogan “RE DO PLEASE” werden lebensnahe Innovationsideen für gesteigerte Nachhaltigkeit gesammelt und mit den verantwortlichen Unternehmen verknüpft.
“Hierdurch werden Differenzen überwunden und Möglichkeiten eröffnet, miteinander, anstelle von gegeneinander, zu arbeiten. Über dies werden die Innovationen und die Marktforschung aus den Unternehmen ausgelagert und an die Erfinder*innen und die Konsument*innen übergeben. Hierdurch wird direkt die Akzeptanz evaluiert und der Innovationsgrad erhöht”, berichtet Yolanda von Zitzewitz.

"Es werden die Innovationen und die Marktforschung aus den Unternehmen ausgelagert und an die Erfinder*innen und die Konsument*innen übergeben."

Da auf der ReDo-Plattform grundsätzlich Innovationsideen für alle Branchen eingereicht werden können, gilt es aktuell, Priorisierungen vorzunehmen.
“Zu Beginn geht es um Fast Moving Consumer Goods (FMCG) mit Fokus auf der Verpackungsindustrie. Unser Ziel ist es, die FMCG nachhaltiger zu gestalten und hierbei auf die Wünsche der Konsument*innen einzugehen. Durch die direkte Partizipation von Konsument*innen wird sichergestellt, dass die Innovationen auch von den Beteiligten angenommen wird und gemeinsam ein Umdenken stattfinden kann.”

Auch bei einem vorrangig Umwelt-nachhaltigen Unterfangen gäbe es jedoch weitere Faktoren zu berücksichtigen, sagt Yolanda von Zitzewitz: “Unser Ziel ist es, eine Balance innerhalb des Sustainability Triangles zu finden. Es soll keine Ausschläge in die eine oder andere Richtung geben, da eine Balance zwischen allen Gruppen und Zielen angestrebt wird.”

Verpackungsmüll wird zur Retoure

Das Start-up SendMePack kümmert sich ebenso darum, Verpackungsabfall zu reduzieren, indem es benutzte Versandkartons sammelt und weiterverwendet. Mit knapp 19 Millionen Tonnen deutschem Verpackungsmüll (Quelle: Tagesschau, für das Jahr 2019. Stand: 2021) dürfte es definitiv genug Platz für mehrere unternehmerische Lösungen in diesem Feld geben. Mit seinem einzigartigen Ansatz macht SendMePack aus Einweg Mehrweg, erklärt Mitgründerin Michelle Reed:
“Wir machen den Dienstleistungssektor nachhaltiger, indem wir eine zuvor nicht vorhandene Dienstleistung in bestehende Abläufe (beispielsweise in der Logistik) einführen. Durch diesen zusätzlichen Arbeitsschritt können wir tonnenweise Verpackungsmüll vor der Altpapierpresse retten und ihn erneut in den Umlauf bringen, was wiederum Ressourcen wie Wasser und Energie schont.”

“Wir machen den Dienstleistungssektor nachhaltiger, indem wir eine zuvor nicht vorhandene Dienstleistung in bestehende Abläufe einführen."

Der Umgang mit den riesigen Abfallmassen stelle außerdem nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Gesellschaft eine große Herausforderung dar, sagt sie:
“SendMePack bringt die wirtschaftlich-gesellschaftliche Entwicklung der Umwelt und soziale Interessen in Einklang, indem wir kurzfristige Ziele wie Awareness für das Thema Verpackungsmüll und seine Auswirkungen aber auch langfristige Ziele wie eine substanzielle Veränderung in Logistikabläufen erreichen. Kreislaufwirtschaft muss die Zukunft im E-Commerce sein.”

Das Thema nimmt Fahrt auf

Beide Kultur- und Kreativpilot*innen berichten, wie enthusiastisch ihre Ideen und Geschäftsmodelle im Jahr der Auszeichnung angekommen sind. Die Nachfrage ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansätze sei riesig, erzählt ReDos Yolanda von Zitzewitz:
“Hauptmotivation ist für uns das positive Feedback, das wir bekommen. Mit welcher Selbstverständlichkeit Interessierte sagen, dass die Idee ‘Sinn macht’, sie fragen, ‘Warum gibt es das noch nicht?’ und ‘Wo kann ich mich anmelden?’, ist überwältigend. Zu sehen, wie viele Mitstreiter*innen wir im Auszeichnungsjahr gefunden haben, hilft uns über die manchmal schwierigen Phasen des Gründungsprozesses hinweg.”

“Hauptmotivation ist für uns das positive Feedback, das wir bekommen."

Auch das Team SendMePack ist begeistert über den großen Zuspruch, den ihr Mehrweg-Konzept erhält:
“Das Thema stößt auf so viele offene Ohren und Unterstützer*innen, es ist wirklich unglaublich! Einen Monat nach Launch der Website hat sich einer der größten Elektronikhersteller der Welt bei uns gemeldet und eine Millionenanfrage gestellt. Da waren wir kurz sprachlos. Solche schönen Geschichten geben uns genau den Rückenwind, den wir brauchen und zeigen uns, wie relevant und wichtig unsere Arbeit ist”, berichtet Michelle Reed.

Fotos: RE DO, SendMePack, Timotheus Theisen, Luca Christmann, Luca Hain, Pexels

Text: Felix Jung