„Mit Fakenews verdient man mehr Geld als mit Fakten“
„Mit Fakenews verdient man mehr Geld als mit Fakten“
„Mit Fakenews verdient man mehr Geld als mit Fakten“

„Mit Fakenews verdient man mehr Geld als mit Fakten“

Sie sind so hartnäckig wie das Virus: Fakenews. Schon vor der Corona-Pandemie waren Falschnachrichten ein Problem – doch die Pandemie hat die Situation verschärft. Katharina Klimkeit (27) kündigte mitten in der Krise ihren Job, um den Kampf gegen Falschinformationen aufzunehmen. Ihr Startup „Facts for Friends“ sieht sich als Brücke zwischen Faktenprüfer*innen und sozialen Netzwerken. Das Team fasst längere Faktenchecks aus mehreren Quellen zusammen, verwandelt sie in kurze Texte und einfache Sharepics. Helfen könnte das verunsicherten Menschen, die im Freund*innen- und Bekanntenkreis mit Fakenews zu tun haben. Was beim Hackathon #WirVsVirus begann, ist inzwischen auf dem Weg zum erfolgreichen Nonprofit-Unternehmen. Gemeinsam mit ihrer Mitgeschäftsführerin, Valerie Scholz, knüpfte Klimkeit unzählige Kontakte, holte sich Tipps von namhaften Expert*innen aus der Wirtschaft – und steht im Austausch mit Faktenprüfer*innen rund um die Welt.

In wenigen Worten: Was macht ihr?

Katharina Klimkeit: Wir bekämpfen alle, die falsche Nachrichten und Informationen verbreiten – Medien, aber auch Einzelpersonen, indem wir geprüfte Fakten sammeln und die ganz einfach zum Lesen und Teilen anbieten.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Beim Hackathon #WirVsVirus zu Beginn der Coronakrise  – das war eine Veranstaltung mit 30.000 Leuten, die Lösungen für die Krise entwickeln wollten. Ich war zu dem Zeitpunkt in Kurzarbeit und wollte etwas machen. Das Problem der Fakenews kam da schon in meinem nahen sozialen Umfeld auf, für mich zum ersten Mal. Mein Vater zeigte mir Kettenbriefe in WhatsApp-Gruppen mit Falschinfos über Corona-Selbsttests. Beim Hackathon hat sich eine Gruppe zusammengetan, die so etwas bekämpfen wollte. In unserem Team waren Journalismusstudent*innen, Wissenschaftler*innen, Programmierer*innen, eine Grafikdesignerin – und ich. In einem Design Thinking Prozess haben wir überlegt: Was ist die Zielgruppe, welche Features muss das Produkt haben? Am Freitag haben wir angefangen, am Sonntag war der erste Prototyp live.

Warum dieses Thema?

Fakenews waren schon vor Corona ein Problem. Aber in Krisenzeiten, wenn Menschen Angst haben und verunsichert sind, verbreiten sie sich noch mehr. Wir haben uns gefragt: Wie präsentiert man Fakten so, dass sie gegen die Welle von Fakenews ankommen?

Wie ging’s nach dem Hackathon weiter?

Wir haben zu zehnt gegründet. Ohne die positive Resonanz und einige Treiber*innen bei uns in der Gruppe wäre es beim Hackathon-Projekt geblieben. Das war der Wahnsinn: so eine Vision zu haben und dass daraus dann mehr werden kann. Ich war die erste, die gesagt hat, ich kündige meinen Job. Denn für die Förderanträge musste man ein gewisses Zeitcommittment aufbringen. Die Nachfrage hat mich bestärkt. Ich hab aber auch gemerkt: Ich muss jetzt liefern.

„Falschinformationen kursieren oft im privaten Umfeld“

Warum macht ihr Fakten für Freund*innen?

Falschinformationen kursieren oft im privaten Umfeld. Leute tendieren dazu, ihren Freund*innen zu glauben, das zeigen Umfragen und Statistiken – einfach, weil man schon eine Vorauswahl getroffen und ähnliche Werte hat. Es ist schwer, Fakenews richtigzustellen. Und hierfür bieten wir eine Lösung. Jeder, der eine komische WhatsApp-Nachricht oder einen Facebook-Post sieht, kann sich informieren und das Ergebnis teilen. Oft sind das emotionale Themen. Wir hoffen aber: Wenn das faktenbelegt ist, von glaubwürdigen Quellen –  wir nutzen nur Quellen aus dem International Fact-Checking Network –, dann kann man die Emotionalität rausnehmen und diskutieren.

Was unterscheidet euch von den vielen Faktenchecks, die es schon gibt?

Wir sehen uns als Aggregator und verbreiten die Ergebnisse von Faktenchecks über die sozialen Netzwerke. Es muss super einfach sein, diese „Fact Snacks“ zu finden und zu teilen. Ich kenne nicht so viele, die sich fünf Seiten Faktencheck zum Beispiel bei Correctiv durchlesen. Wir setzen deshalb auf Sharepics, die man als Bild oder kurzen Text teilen kann. Im nächsten Schritt wollen wir Bewegtbild, etwa Gifs nutzen – einfach, weil wir junge Leute ansprechen wollen.

„Wir wollen die Verunsicherten erreichen“

Was ist eure Zielgruppe?

Wir werden oft gefragt: Was ist mit den Leuten, die in Michael Wendlers Telegram-Gruppe unterwegs sind oder QAnon-Anhänger*innen, die an Verschwörungsmythen glauben? Das ist nicht unsere Zielgruppe. Die überschätzt man auch. In den Medien werden die Coronaleugner*innen-Demos gezeigt und man denkt: Oh Gott, sind das viele! Aber es ist ein verschwindend geringer Anteil. Wir wollen die Verunsicherten erreichen. Die, die eigentlich keine falschen Informationen im privaten Umfeld teilen möchten.

Ihr macht snackable content, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Lassen sich komplexe Themen so überhaupt vermitteln?

Unser Anspruch ist, dass man sich schnell und weitergehend informieren kann. Mit einem Klick ist man beim Ursprungsartikel, und der ist garantiert 5-10 Seiten lang. Unsere Themen sind meistens komplex. Wir haben gemerkt, dass wir vorsichtig sein müssen, in Schwarz oder Weiß zu denken. Es gibt eine immens große Grauzone, wo manche Teile stimmen, manches irreführend dargestellt oder aus dem Kontext gerissen ist. Früher gab es bei uns nur Falsch oder Richtig. Jetzt gucken wir mehrdimensionaler auf die Informationen. Es gibt bei uns jetzt auch die Kategorie „irreführend“.

Was treibt euch an? Ihr könntet auch einfach Katzenvideos posten.

Es gibt einfach nicht genug kreative Lösungsansätze gegen Fakenews. Wenn man sich anschaut, wie viele Duftkerzen-Startups auf dem Markt sind und wie wenige sich mit dem massiven Problem der Desinformation im Digitalen auseinandersetzen, denkt man sich: Da ist etwas nicht im Gleichgewicht. Es wurde schon viel gemacht, Facebook und Co. arbeiten mit Factchecker*innen zusammen. Das ist gut, aber reicht nicht. Uns treibt an, eine Lösung zu schaffen, die den Menschen wirklich im digitalen Alltag helfen kann und ihnen ein Tool an die Hand gibt, um wieder zu einem faktenbasierten Diskurs zu kommen.

„Wir hatten auf einmal ein privates Beratungsteam der Boston Consulting Group“

Wie finanziert ihr euch?

Leider verdient man mit Fakenews viel mehr Geld als mit Fakten. Ein bisschen traurig, aber es ist so. Wir sind als Nonprofit unterwegs, uns unterstützen Stiftungen, außerdem bekommen wir eine Projektförderung des Bundesministeriums für Umweltschutz. Alle Geldgeber*innen geben uns maximalen Freiraum, auch wenn Fakten rauskommen, die nicht gefallen. Aber: Wir nehmen nicht jedes Geld, denn das höchste Gut ist unsere Glaubwürdigkeit.

Habt ihr Beratung in Anspruch genommen?

Wir haben jede Kontaktmöglichkeit wahrgenommen. Die Open-Source-Initiative ProjectTogether hat nach dem Hackathon eine Plattform mit Unterstützungsangeboten gegründet. Wir hatten auf einmal ein privates Beratungsteam der Boston Consulting Group, mit dem wir uns einmal wöchentlich getroffen haben. Außerdem haben wir mit Expert*innen aus unterschiedlichsten Bereichen über unser Geschäftsmodell gesprochen.

„Resilienz heißt für mich auch, nach Hilfe zu fragen“

Im Zusammenhang mit der aktuellen Krise und wo insbesondere in der KKW sehr viele Kleinst- und Solo-Unternehmer*innen stark betroffen sind, wird viel von wirtschaftlicher Resilienz gesprochen. Was bedeutet Resilienz für dich?

Widerstandsfähigkeit gepaart mit Geduld gepaart mit Durchhaltevermögen. Resilienz heißt für mich auch: nach Hilfe fragen, wenn man Hilfe braucht. Wir sind etwa eng im Austausch mit dem International Fact-Checking Network – das sind die Faktenchecker*innen weltweit. Als wir neulich ein Problem hatten, bekamen wir auf unsere Mail hin Antworten von Faktenchecker*innen aus den unterschiedlichsten Ländern, das ist wirklich toll.

Was zeichnet eine Kreativunternehmer*in aus?

Sich trauen, neue Dinge auszuprobieren – aber auch existierende Dinge neu zu denken. Wir hätten auch sagen können, weil es Correctiv oder Mimikama schon gibt, brauchen wir Facts for Friends nicht mehr. Aber da wir das Thema aus einem anderen Blickwinkel betrachten, ist es etwas ganz Anderes.

Ist euer Projekt in Gefahr, sobald die Krise vorbei ist?

Nein. Wir bekämpfen ein leider hartnäckiges Problem. Wenn es nicht die Coronakrise ist, sind es die Bundestagswahlen. Wenn es nicht das Wahljahr ist, ist es die Klimakrise. Schon jetzt haben wir nicht mehr nur Corona-Themen. Wir werden immer Arbeit haben.

Wie kommt man an die besten Ideen? Kreativtechniken können dabei helfen. „Facts for Friends“ setzte dabei auch auf Design Thinking: einen Ansatz, bei dem Menschen aus verschiedenen Disziplinen im Team zusammenarbeiten und Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten – etwa Designer*innen, Informatiker*innen und Marketing-Expert*innen. Bei Design Thinking stehen die Sicht der*des Kund*in und ihre*seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Oft werden dafür Personas entwickelt, also typische Vertreter*innen der Zielgruppe. Nach einem Brainstorming werden Ideen systematisiert und auf Nutzen, Umsetzbarkeit und Marktfähigkeit hin geprüft. In Zeiten wie dieser werden aber auch Methoden relevant, die es ermöglichen Zukünfte zu entwickeln: etwa die Szenariotechnik oder Science Fiction Prototyping. Dabei versetzt man sich in verschiedene Zukunftsszenarien hinein und schlüpft in neue Rollen (Den Links folgend geht es zur genauen Erklärung des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Kooperationspartner der Kultur- und Kreativpiloten Deutschland.