Den Großteil unserer Umgebung nehmen wir viel zu selten bewusst wahr. Die große Statue im Stadtpark, die Seitenstraße in der Nachbarschaft oder den Parkplatz vor dem Supermarkt. Der Tunnelblick des anonymen, schnellen Großstadtlebens sorgt im Alltag dafür, dass sich so manche urbanen Schätze unserer Kenntnis und Wertschätzung entziehen. Schade eigentlich, denn nicht nur geben deutsche Kommunen beachtliche Summen für künstlerische Exponate im öffentlichen Raum aus, ebenso täte uns eine Sinneserweiterung, etwas Abenteuer, beim städtischen Erleben gut.

Unternehmerin Sophie Burger und Unternehmer Fabian Eck haben aus diesem Grund Storydive, eine App für interaktive Audiowalks, entwickelt.

„Wir produzieren schon seit 2009 Audiowalks und haben lange eine gute technologische Lösung für ortsbasiertes Audio vermisst. Also haben wir mit Storydive selbst eine App entwickelt, die speziell auf die Bedürfnisse des Formats eingeht”

Egal, ob das Genre dabei Krimi, Sci-Fi, Romance oder Rätselabenteuer für Kinder heißt – Die Superpower des Audiowalks liege in seiner Fähigkeit, alltägliche Standorte und Routen in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln, berichtet sie:

„Viele unserer Audiowalk-Hörer*innen kennen ihr Viertel eigentlich gut und gehen seit Jahren immer wieder an denselben Orten vorbei, so dass sie diese kaum noch wahrnehmen. Sie hören unsere Audiowalks, weil sie dabei eine neue Perspektive einnehmen und diese Orte mit einem frischen Blick erleben können.”

Es ist dieselbe Motivation, die auch Elisabeth und Julius Jacobsohn zusammen mit Kristina Hermann von Artventure antreibt. Ihre App macht auf Kunst im öffentlichen Raum mittels einer Karte aufmerksam und versorgt die Nutzer*innen mit entsprechendem Bildmaterial und Informationen.

„Mir ist aufgefallen, dass es sehr viele Kunstwerke gibt, die gar nicht beschriftet sind und zu denen nicht einmal Informationen wie der Titel des Werks oder der Name des*der Künstler*in zu finden sind”, erzählt Gründerin Elisabeth Jacobsohn. Das bekannte Problem brachte die Gründung von Artventure hervor.

 

„Wir überlegen uns Spaziergänge zu verschiedenen Kunstwerken, damit die Kunst vor Ort auch tatsächlich betrachtet wird. Wir wollen Kunst attraktiver machen und Kunstinteressierten mit unseren Informationstexten mehr über die Werke beibringen,”

Alten Orten neues Leben einhauchen

Gemeinsam ist den beiden Software-Unternehmen ihre Mission, unscheinbare Orte und Objekte ins aktive Bewusstsein zu rücken und ihnen neuen Esprit zu verleihen. Doch ihre gesellschaftsorientierte Absicht geht noch weiter.

„Die Stadt sollte kein Durchgangsraum sein, um von Zuhause zur Arbeit, zum Sport oder zum Treffen mit Freund*innen zu kommen. Urbanes Erleben sollte den Menschen die Möglichkeit geben, sich den öffentlichen Raum anzueignen und eigene Geschichten darin einzuschreiben”, sagt Sophie Burger von Storydive.

„Mit Audiowalks können wir Räume umdeuten und mit neuen Bedeutungen überschreiben. Wir möchten erinnerungswürdige Erfahrungen schaffen, die den Blick auf die eigene Stadt langfristig erweitern und bereichern”, erklärt sie.

Für das Team von Artventure beginnt der Schaffensprozess an einer ähnlichen Stelle, beschreibt Gründerin Elisabeth Jacobsohn. Wie so oft liegt Kunst im Auge der Betrachter*innen:

„Die unbekanntesten Kunstwerke sind solche, die gar nicht als Kunst wahrgenommen werden. Das sind meistens abstrakte Skulpturen oder solche, die eine weitere Funktion haben, wie zum Beispiel eine künstlerisch gestaltete Bank.”

Kreative Geschäftsmodelle treffen auf städtische Verwaltung

Für die meisten Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft erschließt sich der gesellschaftliche Nutzen schnell. Doch der wertorientierte Impact entfaltet sich besonders effektiv, wenn er mit einem sinnvollen Geschäftsmodell gekoppelt ist. Sophie Burger von Storydive erklärt ihr duales Einkommenssystem:

„Wer bei uns veröffentlicht, zahlt eine jährliche Lizenzgebühr. Darüber hinaus sind wir weiterhin als Produzent*innen tätig und begleiten zum Beispiel Städte, Kultur- und Bildungsinstitutionen und auch Medienunternehmen von der Konzeption bis zur Veröffentlichung ihres eigenen Audiowalks. Der Download unserer App ist kostenlos.”

Artventure und Storydive richten sich mit ihren Angeboten an städtische Institutionen, um kreativwirtschaftliche Impulse in die Nutzung öffentlicher Gelder einfliessen zu lassen.

„Wir wollen mit Städten, Museen und anderen Institutionen zusammenarbeiten, die Kunstwerke im öffentlichen Raum besitzen”, sagt Elisabeth Jacobsohn von Artventure. „Wir helfen ihnen bei der Digitalisierung der Kunstwerke, schreiben Infotexte und fertigen professionelle Fotografien der Werke an, damit sie in unserer App bestmöglich rüberkommen.”

Ein Blick in die urbane Zukunft

Angesichts fortschreitender Digitalisierung, Urbanisierung sowie des gesellschaftlichen Wandels werden Produkte und Dienstleistungen mit Impact in den kommenden Jahren eine zentrale gestalterische Rolle spielen. Was planen also die Unternehmer*innen von Artventure und Storydive für die Zukunft, was wünschen sie sich von Städteplanung und Verwaltung?

„Wir wünschen uns, dass Datenbanken von den Städten aktuell gehalten werden”, sagt Elisabeth Jacobsohn. „So etwas sollte mit digitalisiert werden, damit es keine Probleme gibt, Kunstwerke zu finden und zu erleben.”

Fabian Eck von Storydive wünscht sich Wachstum und langfristige Wirkung: „Unsere Plattform soll größer werden, so dass wir überall in Deutschland und darüber hinaus Audiowalks im Angebot haben.” Denn die Anonymität und Routine urbanen Lebens könne durch die richtigen digitalen Lösungen umgekehrt werden.

„Audiowalks können Besucher*innen auf Orte jenseits der ausgetretenen Pfade führen, lokale Gemeinschaften stärken sowie Innenstädte wiederbeleben. Und sie bringen ein bisschen Magie in unseren Alltag.”

 

 

Text: Felix Jung

Fotos: Larissa Mantel, Andreas Jetter, Artventure, Storydive, Oliver Reetz