Transformation von Ideen
Transformation von Ideen

Wer als Unternehmer*in um die Ecke denkt oder, wie in Anemone Zeims Fall buchstäblich „outside the box“, der erntet oft Unverständnis. Im Falle von Niklas Weisel war es sogar Spott. Dabei sind es genau solche Persönlichkeiten, wie die der beiden Kultur- und Kreativpilot*innen, die neue Möglichkeitsräume öffnen und die damit Wegbereiter*innen für Innovationen sind, die unsere Zukunft gestalten können.

Transformation von Ideen: mit neuen Perspektiven Möglichkeitsräume öffnen

Wer als Unternehmer*in um die Ecke denkt oder, wie in Anemone Zeims Fall buchstäblich „outside the box“, der erntet oft Unverständnis. Im Falle von Niklas Weisel war es sogar Spott. Dabei sind es genau solche Persönlichkeiten, wie die der beiden Kultur- und Kreativpilot*innen, die neue Möglichkeitsräume öffnen und die damit Wegbereiter*innen für Innovationen sind, die unsere Zukunft gestalten können.

Transformation von Ideen: mit neuen Perspektiven Möglichkeitsräume öffnen

Jeder kann einen Hund haben, sogar mehrere, so viel man möchte, ungeachtet der Wohn- oder Arbeitssituation. Zumindest einen von Anemone Zeim. Auf ihrer Webseite fantasiehund.de kann sich jeder einen bestellen, für 29 Euro. Der Hund wird in einem Pappkarton zu einem nach Hause geliefert. Wie der jeweilige vierbeinige Freund so drauf ist, das ist eine Überraschung, denn auch Fantasiehunde haben ihren eigenen Charakter.

Wie echte Hunde auch. Wie der Name des Projektes der Diplom-Designerin Anemone Zeim schon vermuten lässt, handelt es sich bei den Fantasiehunden jedoch nicht um welche zum Anfassen. In der Box für 29 Euro stecken zwar ein Handbuch, eine Hundedecke, ein Impfpass, eine Hundemarke, ein Hundenapf, ein unsichtbares Flohhalsband und ein Kotbeutel. Auch Futter in den Geschmacksrichtungen „Einhornragout“ oder „Irgendwas“.

„Der Sinn dieser Box ist es, sich selbst die Erlaubnis zu geben, fantasievoll zu sein, endlich mal einem Spleen zu folgen.“

Den Hund jedoch, den muss sich jede*r Empfänger*in tatsächlich selbst zurecht denken.

Was das soll?

„Der Sinn dieser Box ist es, sich selbst die Erlaubnis zu geben, fantasievoll zu sein, endlich mal einem Spleen zu folgen“, sagt Zeim. „Ich hatte keine Zeit für einen echten Hund, aber ich habe es sehr vermisst, rauszugehen. Grundloses Spazierengehen empfand ich aber als komisch, also habe ich mir einen Fantasiehund angeschafft. Das Schöne war, dass wirklich alle meine Freunde mitgemacht haben — wenn ich in den Urlaub fuhr, wurde er sogar gesittet.“

Aber mit einem erfundenen Hund muss man doch nicht wirklich morgens Gassi gehen? „Ich bin morgens mit ihm raus. Der Fantasiehund kommt ja mit Zubehör — kleinen visuellen Ankern, die helfen, eine Hunde-Routine aufzubauen. Wenn die eigene Fantasie noch nicht so trainiert ist, dann ist es natürlich anfangs schwieriger, sich darauf einzulassen, das kommt aber mit der Zeit.“

Wenn Zeim nicht Fantasiehunde verkauft, dann ist sie als Trauerberaterin tätig. Mit ihrem anderen Unternehmen „Vergiss Mein Nie“ hilft sie Trauernden, kreativ und vorwärtsgerichtet mit ihrem Schmerz umzugehen. Mit Erinnerungs-Workshops ermöglicht sie, das Andenken an die Verstorbenen zu wahren oder verkauft Geschenke, die helfen, erlaubte wie vermeintlich unerlaubte Gefühle zu verarbeiten — von Wunschschiffchen für ein Abschiedsritual bis zur Wutkapsel zum Verbrennen, Zerknüllen oder Aufbewahren, um der Wut ihre zerstörerische Kraft zu nehmen und die Kontrolle wieder zu erlangen.

"Der Fantasiehund trainiert zur Öffnung des Inneren, um freier zu sein in dem, was man für möglich hält.“

„Ich bin Kreativunternehmerin. Mein Job ist es, das Unsichtbare sichtbar zu machen, das mache ich mit dem Fantasiehund über diese Box, in meiner Trauerberatung mache ich es, indem ich den Menschen ihre Trauer erkläre, zum Beispiel mit kreativen Tools. Das hat sehr viel miteinander zu tun obwohl die Themen natürlich nicht ferner voneinander sein könnten: Wie kann ich ein Problem lösen, in dem ich es anders betrachte? Der Fantasiehund trainiert zur Öffnung des Inneren, um freier zu sein in dem, was man für möglich hält.“

Und wer nun immer noch nicht glaubt, dass Fantasiehunde ein Geschäftsmodell sein können: Bisher wurden 1.500 davon verkauft, einer wohnt inzwischen sogar in Tokyo. Die Menschen schicken Zeim ihre Geschichten, berichten, wie sich die Hunde entwickeln, welche Marotten sie haben. Manche verschenken sie an Kinder, damit diese die Übernahme von Verantwortung üben können.

Das Geschäft betreibt Zeim zusammen mit zehn Fantasiehunden und Erdmann, ihrem früheren Fantasiehund, der sich zu einem aus Fleisch und Blut materialisiert hat. „Die Fantasiehunde sind ziemlich eigen, sie können mit den Pfoten keine Emails schreiben, schlafen ständig, lassen ihre Spielzeuge überall rumliegen, sind die unzuverlässigsten Kollegen der Welt.“ Wenn sie erzählt, lässt sie keinen Moment lang Zweifel durchblicken, dass sie ihre Fantasiehunde genauso ernst nimmt, wie reale Vierbeiner. „Als Unternehmerin brauchst du eine Vision. Sie ist es, die dich in die Zukunft zieht. Wenn du siehst, was du machen willst, dann bekommst du Halt und Kraft und das gibt die notwendige Motivation.“

Ein Hund spielt auch bei Niklas Weisel eine zentrale Rolle. Beim Gassi gehen ist ihm nämlich die Idee zum Geschäftsmodell von Botanic Horizon gekommen. Es geht um vertikale Gärten auf der Basis von Gardinenschnüren — die Schnüre, die bei unseren Omas unten an den Gardinen hängen, mit den kleinen Metallkügelchen drin, um sie zu beschweren.

Weisel steigt 2012 bei B+M Textil als Geschäftsführer ein. Der Betrieb wurde vom Onkel seines Großvaters gegründet — er führt also gewissermaßen den 150 Jahre alten Familienbetrieb weiter. Das Herstellen von Gardinenzubehör bleibt weiterhin das Kerngeschäft. Das Unternehmen ist einer der wenigen Player weltweit. „Wir haben es geschafft, dieses Knowhow zu erhalten, und können jetzt andere Funktionalitäten darauf aufbauen.“

„Durch meine Versuche der Selbständigkeit als Ingenieur habe ich festgestellt, wie schwierig es ist, eine Unternehmensinfrastruktur zu etablieren."

Sein Studium fing als Umwelt- und Bio-Ingenieurswissenschaften an, bis an der Uni jedoch beschlossen wurde, dass dieser Fachbereich keine Zukunft habe und so beendete er es mit einem Abschluss als Werkstoff- und Verfahrenstechniker. Danach machte er sich direkt selbständig, entschließt sich jedoch bald, in das Unternehmen einzusteigen — obwohl es sich in einem Markt bewegt, der nicht gerade als zukunftsträchtig zu bezeichnen ist und die Konkurrenz aus dem Ausland immer härter wird?

„Durch meine Versuche der Selbständigkeit als Ingenieur habe ich festgestellt, wie schwierig es ist, eine Unternehmensinfrastruktur zu etablieren. Als junger Uniabsolvent ohne jegliche Berufserfahrung wird man zudem nicht ernstgenommen. Eine etablierte Struktur öffnet Türen und ich konnte endlich darüber nachdenken, Ideen tatsächlich verwirklichen zu können.“

Während des Studiums beschäftigte er sich mit Tissue Engineering zum Kultivieren von künstlichem Gewebe für medizinische Anwendungen, „Wie können Umgebungen künstlich erschaffen werden, so dass sich biologische Lebensformen darin wohlfühlen können?“ Und so überrascht es nicht, dass ihm eines Tages, eben beim Ausführen des Hundes, die Idee kam, Gardinenschnüre mit Grassamen zu befüllen. „Das in die Realität umzusetzen war dann relativ unkompliziert. Wir haben ein bisschen bewässert und gedüngt und siehe da, die Grassamen sind tatsächlich übereinander aus der Schnur herausgewachsen.“

Weitere Anwendungsmöglichkeiten folgten. „Wenn man Gras reinpflanzt und Wasser mit Dünger drüber laufen lässt, dann ziehen die Pflanzen die Nährstoffe aus dem Wasser. Wenn man jetzt statt Gras Filtermaterialen in die Schnur einsetzt, dann ziehen diese zum Beispiel Schmutzstoffe aus Wasser.“ Wärmetauscher sind denkbar, aber auch Aufwuchsmedien für Bakterien.

"In meiner Familie gab es seit jeher viele Unternehmer*innen, vielleicht besteht da ein genetischer Drang nach Freiheit."

„Als ich meine Idee das erste Mal auf Messen präsentierte, erfuhr ich immer wieder Ablehnung. Es war aber nicht das erste Mal, dass über meine Ideen gelacht wurde. Das gehört dazu, das musst du überwinden. Vielleicht musst du als Unternehmer*in ein bisschen geisteskrank sein (…) dann fehlt einem wohl ein bestimmtes Risikobewusstsein. In meiner Familie gab es seit jeher viele Unternehmer*innen, vielleicht besteht da ein genetischer Drang nach Freiheit. Mich frustriert es einfach, wenn ich mit einer Idee, von der ich überzeugt bin, an zehn Entscheidungsträger*innen abpralle. Da probiere ich es lieber selbst.“

Noch werden die Bewässerungssysteme auf Maß angefertigt. Ziel ist ein Plug-and-Play-System, bei dem verschiedene Module in unterschiedlichen Größen zusammengestellt werden können. Das könnten Regale für zuhause sein, perspektivisch sogar ganze Räume oder auch begrünte Bushaltestellen. Wie schnell es dazu kommt, dass solche Bausätze erhältlich sind, hängt nun von der Finanzierung ab, dann könnten sie schon in einem Jahr in den Baumärkten erhältlich sein.

Bildcredits: Ilona Habben, Botanic Horizon