Die Auswahl
Die Auswahl

Das Auswahlverfahren der Kultur- und Kreativpiloten ist einer der Gründe, warum sich die Auszeichnung so sehr von anderen unterscheidet. Zeit zu fragen: Was ist daran so besonders?!

Die Auswahl

Das Auswahlverfahren der Kultur- und Kreativpiloten ist einer der Gründe, warum sich die Auszeichnung so sehr von anderen unterscheidet. Zeit zu fragen: Was ist daran so besonders?!

Die Auswahl

„Es ist kein Pitch“, sagt Christoph Backes, einer der Initiatoren der Auszeichnung, „sondern ein Treffen auf Augenhöhe. Wir interessieren uns nicht nur für Businesspläne oder White Papers, sondern insbesondere für die Menschen hinter den Ideen.“ Er steht vor einer kahlen Betonwand im Betahaus in Hamburg. Draußen rasen Züge vorbei. Die Hansestadt ist einer von vier Orten, in denen diese Auswahlgespräche stattfinden. Dazu kommen Köln, Stuttgart und Berlin.
Ab jetzt werden 12 Tage lang 96 Bewerber*innen auf über 100 Jury-Mitglieder treffen. „Wobei schon der Begriff Jury nicht hundert prozentig stimmt“, erklärt Sylvia Hustedt, die zusammen mit Christoph Backes vor knapp neun Jahren die Auszeichnung ins Leben gerufen hat. „Es gibt keine Noten, es ist keine Prüfung. Es geht darum, sich zu begegnen, ins Gespräch zu kommen und sich aufeinander einzulassen.“

Insgesamt stellen sich alle Projektteams drei unterschiedlichen Jury-Gruppen vor. Jedes dieser Gespräche dauert eine halbe Stunde. Dieses initiale Feedback ist der Moment, in dem das Jahr der Kultur- und Kreativpiloten beginnt. Die Juroren*innen kommen aus Politik, Wirtschaft, Medien, es sind Unternehmer*innen, Künstler*innen, Schauspieler*innen. Auch Kreativpilot*innen aus vorherigen Jahrgängen machen mit. Auf diese Weise entsteht ein weiter Horizont aus Expertisen, Erfahrungsschätzen und Know-how. Selbst für Bewerber*innen, die nicht ausgezeichnet werden, gilt es als wichtiger Meilenstein und liefert ehrliche Impulse. Die Juroren bohren nach, was der Kern einer Idee ist. Ein Projektteam verhandelt live am Tisch, ob sie lieber ein soziales Projekt oder Produktschmiede sein wollen. Ein anderer Gründer sagt ganz offen, dass sich bei seinem Produkt Nachhaltigkeit und Langlebigkeit widersprechen. So viel Ehrlichkeit muss sein. Nur so können die Juroren am Ende eine Entscheidung darüber treffen, ob das Projekt passt, ob die Kreativpiloten das Richtige sind für diese Bewerber*innen. „Wir merken schnell, wenn sich jemand verstellt“, sagt Sylvia Hustedt. „Weil wir den Vergleich und die Erfahrung haben. Es gibt genug Leute, die ehrlich sagen können, an was es ihnen fehlt.“ Eine solche Selbsteinschätzung ist viel wichtiger, als ein lupenreiner Businessplan oder eine hübsche Webseite. Dabei liegt die Art, wie sie sich bewerben und wie sie sich vorstellen in den Bewerber*innen selbst.

„Unser Auswahlverfahren ist kriterienlos, weil wir keine Schranken setzen wollen. Gründer*innen, Startups und Kreativmacher*innen sollten im Zweifelsfall am besten, wissen, wie sie sich präsentieren wollen“, erklärt Christoph Backes. „Auf die Frage, ob sie eine Powerpoint oder einen Film vorbereiten sollen, sagen wir: Mach wie du denkst. Wenn es ein Produkt gibt, dass man anfassen kann oder vorführen kann, dann ist es sicher ratsam es mitzubringen.“

Er fügt hinzu: „Wir haben auch gerade in den letzten Jahren festgestellt, dass die Auszeichnung Kreativpiloten für viele Gründer*innen so etwas wie ein Gütesiegel ist. Das kann man zeigen, den Eltern, den Investoren, der Bank und die wissen, das ist ein Garant. Etwas Handfestes, an dem sie sich orientieren können.“
Bernd Weismann vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fügt hinzu: „Es ist einer der erfolgreichsten Wettbewerbe der Bundesregierung. Vor allem, wenn man sieht, wie viele Kreativpiloten nach drei Jahren noch am Markt sind. Das ist außergewöhnlich.“ In der Tat bestehen noch fast 97 Prozent der Unternehmen, die in den letzten drei Jahren ausgezeichnet worden sind. Auch, weil aus all den verschiedenen Perspektiven (von Bewerber*innen, Juror*innen und Titelträger*innen) ein Netzwerk entsteht, das für einander da ist. Auf Augenhöhe eben. Anders gesagt, man hat ab jetzt immer jemanden, den man anrufen kann. Auch nachts um drei, wenn nötig. Der Grundstein dafür wird bei den Bewerbungsgesprächen gelegt.

Bei den Gesprächen in Hamburg nennt ein Bewerber seine Erfahrung mit der Jury „einen Sprung ins kalte Wasser“ und lacht. „Hart aber gut“, beschreibt eine Bewerberin das Feedback. „Hätten wir in der ersten Runde doch nur schon gewusst, was wir in der letzten gelernt haben!“, sagt ein Team.
Zusammen gerechnet waren in neun Jahren inzwischen 864 Teams und Gründer*innen bei Auswahlgesprächen. Jedes davon war anders, das ist das große Plus dieses Auswahlverfahrens. Weil die Komponenten wechseln und sich immer unterschiedlich mixen. Ein Social Business hat einen anderen Anspruch und andere Bedürfnisse als ein Schuhmacher. Genauso hängt es von den Juror*innen ab, die ganz verschiedene Backrounds haben. Der Politiker, der sich seit Jahren für den Klimaschutz einsetzt, wird andere Fragen stellen, als der Besitzer einer Eismanufaktur oder eine Journalistin.

Kein Schema F oder Schablone, die angehalten wird. „Seit neun Jahren erlebe ich das“, erzählt Sylvia Hustedt, „und es wird nie vorhersagbar. Es sind Leute, die etwas wagen und auf die Beine stellen. Es ist toll, zu solchen Menschen zu sagen: Ja! Wir wollen dich begleiten.“

Bei der Wahl, wer am Ende ausgezeichnet werden soll, handelt es sich um eine „subjektive aber willkürfreie Ermessensentscheidung“, wie Christoph Backes erklärt. Er fügt hinzu: „Wir entscheiden uns niemals gegen jemanden, sondern nur für jemanden anderen.“

Alle Juroren-Teams schildern ihren Eindruck und verleihen As, Bs, oder Cs und es wird so lange diskutiert, bis Konsens herrscht. Das kann zuweilen Stunden dauern, bis das Endresultat feststeht. Es wird klar, welchen Eindruck der Tag auf die Juryteilnehmer*innen gemacht hat. „Die geballte Kreativität hat mich schon mitgerissen“, sagt Maike Schiller vom Hamburger Abendblatt. Martin Horst setzt sich stark für ein Projekt aus dem ländlichen Raum ein. „Das hat einen Leuchtturmeffekt. Wenn die das jetzt werden, gibt es im nächsten Jahr fünf Leute, die sowas anpacken und in zehn Jahren fünftausend!“

Jonas Lindemann sagt am Ende: „Das war wirklich super heute! Es ist die pure Freude auf Menschen zu treffen, die anpacken und umsetzen.“

Es bleibt spannend, wer zu dem neuen Jahrgang zählt. Denn das Maß, in dem die Titelträger selbst die Auszeichnung prägen, ist ein besonderes Feature der Kreativpiloten. Anstelle von starren Checklisten bleibt wieder alles anders. Nur eines ist gleich: Wir sagen Danke, dass wir euch kennenlernen durften.

Text: Stephan Phin Spielhoff

*Alle Bildcredits u-institut