Neue Wege für die Fachkräftegewinnung
Wie virtuelle Welten Inklusion fördern
Wer hat Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt und wer nur erschwert? Inklusion ist zwar der Wunsch vieler Unternehmen, aber in Realität eher ein Buzzword als gelebte Praxis – insbesondere, wenn es um Menschen mit (Seh-)Behinderungen geht. Damit sich das ändert, haben Marit Schweflinghaus und Samuel Sommerhoff BLINC ins Leben gerufen. Das Social Start-up möchte Menschen mit Low Vision[1] Hintergrund den Zutritt zum Arbeitsmarkt erleichtern. „Wir wollen als Start-up zur Brücke zwischen blinden und sehbehinderten Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen werden“, erklärt Gründer Samuel Sommerhoff.
Sommerhoff und seine Mitgründerin Marit Schweflinghaus sind gesetzlich blind[2]. Sie kennen die Barrieren, denen blinde und sehbeeinträchtige Personen auf dem Arbeitsmarkt gegenüberstehen und haben den Handlungsbedarf in puncto Fachkräfte erkannt. In Deutschland sind rund 650.000 Menschen sehbehindert oder blind[3], davon sind schätzungsweise 75 % der blinden und 55 % der sehbehinderten Personen arbeitslos. Das soll sich ändern! Deshalb hat das mittlerweile achtköpfige BLINC-Team ein Angebot entwickelt, das an zwei Stellen ansetzt. Erstens, durch den Aufbau einer Jobplattform, die blinde und sehbeeinträchtigte Arbeits- und Fachkräfte an Arbeitgeber*innen vermittelt. Zweitens, durch die Sensibilisierung von Unternehmen in Bezug auf Low Vision, durch interaktive Workshops und den cleveren Einsatz von Technologien.
Wie fühlt es sich an, die Arbeitswelt, ohne den Sehsinn wahrzunehmen? Genau diese Erfahrung wird innerhalb der Sensibilisierungs-Workshops vermittelt. Es geht um einen offenen Dialog und das Erleben anderer Perspektiven. Dafür nutzt das Team von BLINC VR- und XR-Technologien[4]. Die eigens entwickelte virtuelle Welt macht erlebbar, wie sich die Realität einer blinden oder sehbeeinträchtigten Person anfühlt. „Wir haben in einigen Testläufen sehr positives Feedback zu unserer Anwendung erhalten. Unabhängig davon, ob Personen zu dem Thema schon Berührungspunkte hatten oder nicht, empfinden viele Menschen es als durchaus herausfordernde, aber auch bereichernde und ‚Augen-öffnende’ Erfahrung“, berichtet Sommerhoff. Seit Mitte 2024 ist die Entwicklung zur marktreifen VR-Anwendung abgeschlossen. Und auch für die Zukunft hat Sommerhoff ein klare Vision, wie Technologien Menschen unterstützen und Inklusion fördern können: „Um Teilhabe weiter voranzutreiben, ist es wichtig, die Möglichkeiten und Potenziale digitaler Anwendungen voll auszuschöpfen – nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch bei der Bildung von Menschen mit Low Vision Hintergrund.“
Um Teilhabe weiter voranzutreiben, ist es wichtig, die Möglichkeiten und Potenziale digitaler Anwendungen voll auszuschöpfen – nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch bei der Bildung von Menschen mit Low Vision Hintergrund.
Samuel Sommerhoff, Co-Gründer von BLINC
Kräfte bündeln für Nachwuchs im Solarhandwerk
Auf Erfahrungsaustausch ganz anderer Art setzt die VOLTA!C Academy. Sie wollen ein Festival für die Solarbranche auf die Beine stellen, um beruflichen Nachwuchs und Unternehmen zusammenzubringen: Das Solarhandwerk und die Kultur- und Kreativwirtschaft kooperieren Hand in Hand. Wie nötig eine neue Generation im Bereich regenerative Energien ist, zeigt eine von den Grünen in Auftrag gegebene Studie[5]: Rund 440.000 zusätzliche Fachkräfte werden bis 2030 gebraucht, um die Energieziele der Bundesregierung zu erreichen. An dieser Stelle kann die Kultur- und Kreativwirtschaft einen Beitrag leisten, wie die VOLTA!C Academy Initiatorinnen Jasmine Klewinghaus und Mona Rieken wissen: „Es braucht mutige, zukunftsweisende Programme, um unser Ziel der Klimaneutralität oder bestenfalls Net Zero in 2045 zu erreichen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft birgt das große Potential, vermeintlich lebensrealitätsferne Themen erlebbar zu machen.“
Für die Energiewende begeistern und gleichzeitig Personen im Solarhandwerk ausbilden – dafür sorgt die VOLTA!C Academy mit ihrem Veranstaltungsangebot: Deutschlands erste Solarakademie mit Festivalcharakter und die erste Festivalfachkonferenz für die Solarbranche. Die Idee: Rund 10 Tage lang kommt der angehende Solar-Nachwuchs auf einem Festivalgelände in Deutschland zusammen. Vor Ort steht alles bereit, was es für den Wissensaufbau und die Weiterbildung braucht: Moderne Solartechnik, versierte Ausbilder*innen und Raum zum Üben. Dabei kommen gemeinschaftliche Aktivitäten, Spaß und Vernetzung nicht zu kurz. Denn Communitys haben für junge Menschen einen besonderen Stellenwert, erklärt Jasmine Klewinghaus: „Über dieses Gemeinschaftserlebnis, das Gefühl, dass alle zusammen an einem Strang ziehen und das Verständnis dafür, warum jede*r einzelne von ihnen ein*e Klimaheld*in ist, schaffen wir eine hohe Begeisterung und Identifikation mit dem Themenfeld der Energiewende.“ Damit auf der anderen Seite die Solarfirmen nicht allzu lange auf die neuen Fachkräfte warten müssen, findet anschließend an das Festival ein zweites Format statt: Die dreitägige VOLTA!C Fachkonferenz. Hier werden Klimaheld*innen und Arbeitgeber*innen zusammengeführt und die Community gestärkt.
Entscheidend bei beiden Formaten ist der Austausch auf Augenhöhe. Deshalb arbeiten die Gründerinnen seit Beginn von VOLTA!C eng mit Solarbetrieben, aber auch den deutschen Handwerkskammern zusammen. „In Prozessen mit Betrieben kommen natürlich auch kritische Fragen auf den Tisch. Aber genau das möchten wir: Unser Modell soll für Handwerksbetriebe und KMUs passen, sodass es den größtmöglichen und realistischten Mehrwert hat. Denn genau das bringt die Energiewende gleichzeitig ein ganzes Stück nach vorn“, betont Klewinghaus. Wo das erste Solar-Akademie-Festival stattfinden wird, steht bisher noch nicht fest. Aber die Gründerinnen setzen alles daran, 2024 einen ersten Testlauf stattfinden zu lassen und 2025 mit ihrem eigenen Festival an den Start zu gehen.
Text: Franziska Lindner
Fotos: BLINC, Malte Metag, Rieken Klewinghaus