Neue Dimensionen der Barrierefreiheit: Diese Unternehmen machen die Welt zugänglicher

Wie barrierefrei ist unsere Welt wirklich? Wer sich diese Frage stellt, denkt vermutlich an rollstuhlgerechte Eingänge, Formulare in einfacher Sprache oder die Vorlesefunktion von Zeitungsartikeln. Doch noch immer gibt es Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens, die für viele Menschen nur schwierig oder gar nicht zugänglich sind. Zu ihnen zählen auch die knapp 8 Millionen Personen in Deutschland mit einer schweren Behinderung. PHONT, Unique United und Pontem Pro, Titelträger*innen der Kultur- und Kreativpilot*innen 2024, geben sich damit nicht zufrieden. Mit ihren Geschäftsmodellen räumen sie Hindernisse aus dem Weg und zeigen, wie echte Inklusion gelingt.

Digitale Teilhabe mit Unique United

“Dann mache ich es eben selbst”, dachte sich Louis Kleemeyer, Gründer von Unique United, nachdem er mit seiner Lernbehinderung jahrelang die “Extrameile” hatte gehen müssen. Denn egal, ob bei der Suche nach Jobs, Freizeitangeboten oder Reisen – Personen mit Behinderung werden von den meisten Anbieter*innen nicht mitgedacht. Die Gründung von Unique United, einer digitalen Plattform für barrierefreie Angebote, ergab sich als logische Konsequenz: “Es war eine Aneinanderreihung persönlicher Erfahrungen und die Erkenntnis, dass es online bisher keine Plattform gab, die ich oder Bekannte so hätten nutzen können.“ Heute vermittelt Unique United als digitale Schnittstelle zwischen Unternehmen und Personen mit Einschränkungen. “Anbieter*innen stellen online ihre Angebote ein, Menschen mit Behinderung können diese filtern und so den passenden Job oder die Traumreise finden”, erklärt Louis Kleemeyer.

Neben seiner Plattform im Netz ist Unique United auch analog unterwegs: In Coachings bereitet das Team andere Unternehmen auf eine inklusive Arbeitswelt vor. In geförderten Weiterbildungen lernen Mitarbeiter*innen, inklusionsbezogene Barrieren zu erkennen und abzubauen. Zudem berät Unique United Unternehmen und Vereine in Sachen digitaler Barrierefreiheit, insbesondere mit Blick auf das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das im Juni 2025 in Kraft tritt. Es soll Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung zugänglicher machen und entsprechende Standards vereinheitlichen.

Pontem Pro baut Barrieren durch neue Bildungsangebote ab

Auch Anas Alakkad, Gründer von Pontem Pro, kennt das Gefühl, mit Barrieren konfrontiert zu sein. Der gebürtige Syrer kam 2015 nach Deutschland und hat sich seitdem eine Karriere als Dolmetscher, Rettungssanitäter und Unternehmer aufgebaut. In einem neuen Land Fuß zu fassen, war jedoch eine echte Herausforderung, erinnert er sich: “Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, wissen nicht, welche Wege ihnen offen stehen. Sei es aufgrund sprachlicher Hürden, fehlender Qualifikationen oder der deutschen Bürokratie”. Gemeinsam mit Majd Al Hamoud und Faris Allahham gründete er deshalb Pontem Pro. Die Internetplattform unterstützt Zugewanderte und Menschen mit Fluchterfahrung dabei, ihre beruflichen Perspektiven durch passende Bildungsangebote, Sprachkurse und Coachings zu finden. Als ausgebildeter Rettungssanitäter liegt ihm der Gesundheitsbereich dabei besonders am Herzen.

Viele Klient*innen konnte er bereits als Fachkräfte in den Rettungsdienst vermitteln. Die Expertise von Pontem Pro gebe ihnen die nötigen Mittel und das Selbstvertrauen an die Hand, einen neuen Berufseinstieg zu wagen, sagt auch Mitgründer Majd Al Hamoud. Denn viele Barrieren in diesem Bereich seien unsichtbar: “Unsicherheit und das Gefühl, nicht dazuzugehören, hält viele Menschen dabei zurück”, sagt er. Mit ihrem unternehmerischen Engagement setzen sich die Unternehmer das Ziel, die Chancengleichheit in Deutschland zu erhöhen. “Eine barrierefreie Zukunft bedeutet, dass Herkunft keine Rolle mehr spielt, wenn es um berufliche Perspektiven geht”, sagt Anas Alakkad.

Untertitel werden mit PHONT emotional

Um neue Perspektiven geht es schließlich auch beim Start-up PHONT. Die Künstliche Intelligenz des Unternehmens verpasst herkömmlichen Untertiteln ein echtes Glow-up, indem sie Tonalität, Emotionen oder auch Dialekte visualisiert. Menschen, die eine Höreinschränkung haben oder einfach gerne Untertitel nutzen, bekommen so mehr Informationsgehalt und Unterhaltungswert auf ihre Bildschirme. “Natürlich sind Untertitel ein Werkzeug, das Barrierefreiheit unterstützt”, sagt PHONT-Mitgründer Paul Leo Langendörfer. Gemeinsam mit Mitgründer und Typedesigner Frederik Merkel hat er die sogenannten „Phonetic Fonts“ entwickelt. Schriftarten, die die phonetischen Eigenschaften von Wörtern visuell darstellen. Denn „die Zeit war reif für eine Veränderung im Bereich der Untertitelung“, meint Langendörfer. Der technologische Fortschritt, insbesondere durch KI, ermögliche es, Barrieren durch Untertitel schneller und kostengünstiger abzubauen.

In Zusammenarbeit mit Universitäten erforscht PHONT aktuell, wie das Unternehmen dazu beitragen kann, die Akzeptanz und Wirkung von Untertiteln weiter zu verbessern sowie die Barrierefreiheit im digitalen Raum voranzutreiben. Interessanterweise spielt auch der Generationenwechsel für PHONTs Geschäftsmodell eine Rolle. “Studien zeigen, dass sich Untertitel etabliert haben – fast 70 Prozent der Generation Z nutzen sie regelmäßig”, sagt Paul Leo Langendörfer. Die Idee schlage mittlerweile Wellen, ergänzt er. Ein großes US-amerikanisches Unternehmen verfolge mittlerweile ebenfalls die Idee, Untertitel emotionaler zu machen und zum Leben zu erwecken. Langendörfer: “Es ist eine tolle Bestätigung, dass unsere Idee so großes Potenzial hat – gleichzeitig müssen wir jetzt schnell sein, um relevant zu bleiben.”

Ausblick in eine inklusivere Zukunft

In einer idealen Welt gibt es keine Barrieren – weder physische, digitale, noch soziale. Doch der Weg dorthin ist lang. Die Unternehmer*innen von Unique United, Pontem Pro und PHONT arbeiten daran, diese Vision Stück für Stück zu realisieren. Mit Innovationsgeist, Empathie und der Überzeugung, dass die Zukunft für alle zugänglich sein muss. “Mir schrieb ein Nutzer, dass er dank unserer Plattformendlich einen inklusiven Arbeitsplatz gefunden hat”, sagt Louis Kleemeyer von Unique United. “Es sind Momente wie diese, die mir die enorme Wirkung unserer Arbeit vor Augen führen”. Auch Anas Alakkad von Pontem Pro berichtet von Erfolgsgeschichten, die er als Unternehmer begleiten durfte: “Ich freue mich, wenn unsere Klient*innen in ihrem neuen Beruf aufgehen und Spaß an der Arbeit haben. Ihr Erfolg macht mich stolz und zeigt, wie viel Potenzial freigesetzt wird, wenn Menschen die richtige Unterstützung bekommen.” Trotzdem sei der Prozess, die Welt zugänglicher zu machen, noch lange nicht vorbei, sagt Louis Kleemeyer. “Noch immer treffe ich täglich auf unnötige Barrieren.” Doch der Gründer sieht sie mittlerweile als Ansporn: “Sie zeigen mir, wie wichtig es ist, Inklusion weiter voranzutreiben.”