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© citycaddy – Enver Hirsch

Inklusives Produktdesign ohne Kompromisse

„Auch im Alter lässt die Freude am Schönen nicht nach!“, für diesen Leitsatz steht die Produktdesignerin Elke Jensen nicht nur persönlich, sondern auch unternehmerisch ein. Als ehemalige Professorin der AMD Akademie Mode & Design Hamburg hat sie 2019 mit über 70 Jahren das Unternehmen CityCaddy gegründet und eine Produktneuheit auf den Markt gebracht. Der CityCaddy ist Shopper, Gehhilfe und Trolley in einem und unterstützt ältere Menschen oder Menschen mit leichten körperlichen Schwächen, im Alltag mobil zu bleiben, ohne auf Ästhetik zu verzichten. „Viele ältere Menschen sind für den Rollator noch zu „jung“, sie wünschen sich Sicherheit sowie eine Stütze im Alltag – und zwar eine Formschöne! Diese Lücke wollte ich füllen.“, berichtet Elke Jensen. Ihr Produktdesign vereint Funktionalität und ansprechende Gestaltung. Damit setzt die Senior Entrepreneurin auch gesellschaftlich ein starkes Zeichen: Denn Freude an Bewegung und Teilhabe ist ein Recht, das Menschen unabhängig von Alter oder körperlicher Verfassung zusteht.

Mit Design wird schnell etwas Überflüssiges, etwas Oberflächliches assoziiert. Doch die Gestaltung von Raum und Gegenständen bedingt ganz wesentlich, was wir Menschen tun können und wie wir uns begegnen. Insofern ist Design eine Bedingung
für gesellschaftliche und politische Veränderung.

Elke Jensen, Gründerin von CityCaddy

Bei alltäglichen Aufgaben zu unterstützen und Lebensfreude zu schenken, steht auch im Fokus des Unternehmens wombly adaptive kidswear. Das Textil-Start-Up entwickelt anpassbare Kleidung mit speziellen Öffnungen und Vorrichtungen für Kinder mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Adaptive Bekleidung nennt sich diese Textilart, die noch viel zu selten auf dem Markt angeboten wird, weiß wombly Geschäftsführerin und Kreativdirektorin Lina Phyllis Falkner: Durch Betroffene im persönlichen Umfeld wurden wir auf die untragbare Marktlücke von anpassbarer Kleidung für Kinder mit Pflegebedarf aufmerksam. Mit unseren Produkten möchten wir Versorgungsprozesse maßgeblich vereinfachen, um so Eltern und Kindern Zeit für die wichtigen Dinge im Leben zurückgeben.“ Dafür entwickelt das wombly-Team im engen Austausch mit medizinischen Fachpersonal und betroffenen Eltern clevere und schöne textile Lösungen. Über den Onlineshop kann beispielsweise eine Hose gekauft werden, die Kinder mit Muskelschwäche das selbstständige An- und Ausziehen ermöglicht. Magnetknöpfe, ein Klettverschluss und am Bund befestigte Schlaufen helfen dabei. Was bei aller Praktikabilität aber nie außer Acht gelassen wird, ist die kindgerechte und ästhetisch ansprechende Gestaltung der Kinderbekleidung. Für Lina Phyllis Falkner und ihre Teamkolleg*innen ist Design auch deshalb ein Werkzeug für gesellschaftlichen Wandel: „Mit Design wird schnell etwas Überflüssiges, etwas Oberflächliches assoziiert. Doch die Gestaltung von Raum und Gegenständen bedingt ganz wesentlich, was wir Menschen tun können und wie wir uns begegnen. Insofern ist Design eine Bedingung für gesellschaftliche und politische Veränderung.“

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© Julia Vogel
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© kyndhair – Cosima Richardson – Carolin Pitzke

Mehr Gleichberechtigung in der Kosmetikbranche

Kynd Hair Gründerin Cosima Richardson hat ebenfalls eine Produktlücke erkannt. Ihre Mission: das erste pflanzliche, hautfreundliche und in Deutschland fair produzierte Kunsthaar auf den Markt bringen. Warum das so wichtig ist, weiß die Unternehmerin aus persönlicher Erfahrung: „Wie viele Schwarze Frauen nutze ich schon seit meiner Kindheit Kunsthaar. In der Schwarzen Community werden Haar-Extensions nicht nur als Beauty-Produkt verwendet, sie sind ein wichtiges Tool, um die Haarpflege zu erleichtern. Doch aktuell verfügbares Kunsthaar besteht aus Plastik, welches aus toxischen Chemikalien gefertigt wird.“ Diese toxischen Materialien führen bei 30 % der Verwender*innen zu Juckreiz und Hautirritationen. Hinzu kommt, dass die Haare nicht recycelbar sind und so jährlich Millionen Kilo Plastikmüll entstehen. Genug Gründe für Cosima Richardson, unternehmerisch aktiv zu werden und neue Standards in puncto Nachhaltigkeit zu setzen. Ihre Haarverlängerungen werden aus pflanzenbasierten Fasern hergestellt. So entstehen hautverträgliche Produkte, die biologisch abbaubar sind und nach der Verwendung in den Ökokreislauf zurückkehren können. Ein längst nötiger Schritt, um in der Kosmetikbranche für mehr Gleichberechtigung zu sorgen, erklärt Cosima Richardson: „Die Bedürfnisse Schwarzer Konsument*innen finden insbesondere in Europa wenig Beachtung – genau da setze ich mit Kynd Hair an.“

Form follows Ecology

An pflanzenbasierten Designlösungen gegen die zunehmende Überhitzung von städtischen Umgebungen arbeitet OMC°C in Frankfurt am Main. „Es braucht 10-mal mehr Grün in der Stadt, damit das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in seiner Qualität für Menschen erhalten bleiben kann“, erklärt Gründerin und Direktorin Carlotta Ludig. VERD°, das von OMC°C entwickelte vertikale Begrünungssystem, schafft hier Abhilfe. Schnellwachsende, einjährige Kletterpflanzen wachsen an einer mit textilen Ranknetzen bestückten Leichtbaukonstruktion in die Höhe. Das sorgt nicht nur für mehr Grün in der Stadt, sondern auch für mehr Bindung von CO₂ aus der Atmosphäre und Schatten. Im Frankfurter Stadtraum sind die innovativen Pflanzenkonstrukte schon zu finden und auch Kindergärten, Schulen oder produzierende Unternehmen haben großes Interesse, Pflanzen auf ihren Flächen anzusiedeln. Deshalb soll das Produktportfolio in diesem Jahr weiter wachsen: Die Designexpert*innen planen eine modulare Lösung für Fassadenbegrünung und sogenannte Schattenzelte, die Spielbereiche für Kinder begrünen. Für Co-Gründerin Nicola Stattmann tragen Designlösungen und interdisziplinäre Zusammenarbeit maßgeblich dazu bei, Herausforderungen wie die Klimakrise anzugehen: „Durch die Beachtung von ökologischen Faktoren kann mittels Produktdesign der CO₂-Footprint von Produkten enorm verringert werden. Bauteiltrennung, sortenreines Recycling, Reparaturfähigkeit – wer soll sich darum kümmern, wenn nicht das Produktdesign gemeinsam mit dem Engineering?“

 

[1] Vgl. https://www.gira.de/g-pulse-magazin/architektur/was-ist-der-bauhausstil#besonderheiten, aufgerufen am 19.03.2024

[2] Women of Color, oder WOC,  ist eine selbstgewählte Bezeichnung von Frauen*, die von Rassismus betroffen sind.

[3] Vgl. Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2022 (S. 57): https://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KUK/Redaktion/DE/Publikationen/2022/monitoringbericht-kultur-und-kreativwirtschaft-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, aufgerufen am 20.03.2024 (Bei VÖ ggf. neuer Bericht)

 

Text: Franziska Lindner

Fotos: Enver Hirsch, Julia Vogel, Cosima Richardson, Carolin Pitzke

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© privat

Es braucht 10-mal mehr Grün in der Stadt, damit das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in seiner Qualität für Menschen erhalten bleiben kann.

Carlotta Ludig, Gründerin von VERD