Wie Insekten schmackhaft werden
Wie Insekten schmackhaft werden

Anders als in Asien und anderen Teilen der Welt, finden sich Insekten in Europa bisher nur in homöopathischen Dosen auf dem Speiseplan. Dabei ist die Zucht der Sechsbeiner viel umweltfreundlicher als die hiesiger Nutztiere. Höchste Zeit das zu ändern, findet das Unternehmen Swarm Protein – ihre Protein-Riegel mit Insektenmehl sollen den Anfang machen.

Wie Insekten schmackhaft werden

Anders als in Asien und anderen Teilen der Welt, finden sich Insekten in Europa bisher nur in homöopathischen Dosen auf dem Speiseplan. Dabei ist die Zucht der Sechsbeiner viel umweltfreundlicher als die hiesiger Nutztiere. Höchste Zeit das zu ändern, findet das Unternehmen Swarm Protein – ihre Protein-Riegel mit Insektenmehl sollen den Anfang machen.

Wie Insekten schmackhaft werden

Der Groschen fiel irgendwo in Nord-Laos. Timo Bäcker und Christopher Zeppenfeld hatten sich vor einem Wolkenbruch unter eine blaue Plastikplane eines kleinen Straßenstandes an einer Kreuzung mitten im Dschungel geflüchtet. Sie waren nass bis auf die Knochen, ihnen war kalt, sie hatten Hunger. Wie immer auf ihrer Reise schauten die beiden, welche essbaren Insekten zu haben waren. In diesem Sinne war ihre Zuflucht ein Paradies. „Es gab einen großen gemischten Insektenteller“, erinnert sich Christopher. Also alles, was die Welt der Krabbelviecher kulinarisch zu bieten hat: Käfer in den verschiedensten Farben, Larven, Grillen, Hornissen aus der Wabe und natürlich auch Kakerlaken. „Was wir damals alles gegessen haben, können wir tatsächlich nicht mehr so genau sagen“, so Timo. „Wir hatten den Teller einfach zu schnell leergefuttert.“ Die beiden schauten sich an: Ihnen war klar, dass sie sich gerade daran gewöhnt hatten, Sechsbeiner zu verspeisen – so als sei es das Normalste der Welt. Nach rund zwei Monaten waren sie am Ziel angelangt.

Gestartet auf ihre „Forschungsreise“ waren die beiden Freunde, Timo, der Designer, und Christopher, der Wirtschaftswissenschaftler, im April 2015 – zwei Tage nachdem Christopher seine Doktorarbeit abgegeben hatte. Sie mussten eine Frage beantworten, die ihnen seit fast zwei Jahren nicht mehr aus dem Kopf ging: Ist es möglich, Europäern das Insektenessen schmackhaft zu machen? Dass es gute Gründe für den Verzehr von Grille, Made, Käfer und Co. gab, hatten sie bereits aus einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (englisch: Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) gelernt: Die Zucht der Sechsbeiner ist um ein Vielfaches umweltfreundlicher als die von Schwein, Rind und Huhn. Die Tierchen benötigen deutlich weniger Futter, Wasser und Platz. Langfristig könnten sie auch mit Bioabfällen gefüttert werden und so noch weniger Ressourcen verbrauchen. Insgesamt produzieren Insekten im Vergleich mit anderen Nutztieren so nur einen Bruchteil des Klimagases CO2.

Insektenpulver in akzeptierten Produkten 

Und weil Insekten gleichzeitig einen besonders hohen Gehalt an Eiweiß und Nährstoffen aufweisen, argumentiere die FAO, sind sie ein wichtiger Baustein für die Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung. „Als wir 2013 über die FAO-Studie gestolpert sind, haben wir erst mal herzlich darüber gelacht“, so Timo. „Insekten essen, hier in Deutschland und Europa? Vielleicht in 20 Jahren, dachten wir“, sagt Christopher. Aber das Thema war „so schräg und gleichzeitig inspirierend“, dass die beiden bei jedem Treffen darüber diskutierten. Irgendwann stand die Frage im Raum: Und wenn es doch einen Schalter gäbe, den man umlegen kann, um die Europäer vom Insektenessen zu überzeugen? Sie musste beantwortet werden. Die Antwort müsste dort zu finden sein, wo Insekten schon immer auf der Speisekarten standen: in Asien. An jenem Tag im Dschungel von Nord-Laos war ihnen klar: Man kann sich an das Insektenessen gewöhnen. Und mehr noch: Wenn man den Europäern die Tierchen nicht direkt zeigt, wird es sehr wahrscheinlich keine zwei Monate dauern.

Testessern schmeckt der Insektenriegel

Mit der Idee war das Trio beim Exist-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums erfolgreich. „So hatten wir zu Beginn genug Geld und Zeit, um unser Produkt fertig zu entwickeln“, sagt Timo. Herausgekommen ist ein Sport-Riegel auf Dattelbasis mit Haferflocken, Nüssen und Leinsamen in den Geschmacksrichtungen Schokolade, Nuss und Frucht – dessen Eiweißanteil aus fein gemahlenen Grillen stammt. Die erste Charge ließ Swarm Protein mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne finanzieren. „Mehr als 55.000 Euro von über 1200 Unterstützern sind zusammengekommen“, sagt Timo. „Zu sehen, dass unser Produkt so gut ankommt, war natürlich grandios.“ Zu der Zeit, hatte sich das Team bereits als Kultur- und Kreativpiloten 2017 beworben. „Das Programm kam wie gerufen.  Mit wachsendem Unternehmen standen viele Herausforderungen an, bei denen wir die Erfahrung des Kultur- und Kreativpilotennetzwerks gut gebrauchen konnten“, sagt Christopher. „Zusammen mit den Coaches haben wir Ideen entwickelt, wie wir als Team noch besser zusammenarbeiten.“

„Darüber hinaus“, so Christopher weiter, „war es super auch von Unternehmern aus ganz anderen Gebieten, Einblicke in ihren speziellen Ansatz des unternehmerischen Handelns zu bekommen. Genauso vielfältig und gewinnbringend waren auch die Diskussionen und das Feedback auf den Workshops.“  „Und klar“, sagt Timo: „Jedes Kreativpilotenteam hat auch unseren Riegel zum Testessen bekommen.“ Das Fazit der anderen 31 Kultur-und-Kreativpiloten-Teams – die übrigens alle den Riegel auch gegessen hätten, so Timo: „Lecker. Schmeckt man ja gar nicht raus.“ Eben das sei auch ihr Ziel gewesen, freut sich Daniela. „Der Inhaltsstoff Insekt ist schon exotisch genug“, so die Ernährungsexpertin. „Wenn der Geschmack gefällt, kann die kleine Hürde im Kopf leichter genommen werden.“ Die letzte Produktionscharge sei bereits komplett aufgegessen, bemerkt Timo. Aktuell bereite man die nächste große Produktion vor. „Die zu Pulver gemahlenen Grillen für die Riegel beziehen wir von Kleinbauern aus Thailand“, erklärt Timo. „Insekten sind wechselwarme Tiere und fühlen sich bei 30 bis 32 Grad am wohlsten“, ergänzt Daniela, „durch die Kooperation mit Kleinbauern binden wir auch die traditionellen Wissensträger*innen in den Wertschöpfungsprozess ein.“

Erst Sportler, dann andere Zielgruppen

Die Sportszene ist jedenfalls schon sehr angetan vom neuen Swarm-Protein-Insektenriegel: „Wir haben jede Menge Sponsoring-Anfragen von Profisportlern, dazu wollen Fitnessstudios und Crossfit-Boxen wissen, wann sie die Riegel bekommen können“, sagt Timo. Das Swarm-Protein-Team ist daher vor kurzem um drei Mitarbeiter gewachsen. „Und wenn alles so läuft, wie geplant, kommen Mitte des Jahres noch mal drei neue dazu“, hofft Timo. Ende des Jahres nämlich soll der Swarm-Protein-Riegel auch in den Lebensmitteleinzelhandel und in Drogeriemärkte kommen. „Dann können neben den Sportlern auch andere Zielgruppen auf den Geschmack kommen“, sagt Timo. Die Chancen dafür stehen der Einschätzung des Teams nach sehr gut. „Schlagkräftige Argumente hätten sie bereits auf ihrer Seite, so das Swarm-Protein-Team. Und auf ihren Verköstigungen liege die Probierquote bei durchgehend sehr hohen 90 bis 95 Prozent, sagt Timo: „Wir gehen daher davon aus, dass unser Schwarm in Zukunft weiter wächst.“

Text: Denis Dilba
Fotos: Tim Hartmann