Mit pinken Händen gegen unzureichende Desinfektion
Mit pinken Händen gegen unzureichende Desinfektion

Patienten stecken sich oft mit gefährlichen Keimen an, die übertragen werden von Ärzten oder anderen Patienten. Der Grund: Die Hände wurden nicht richtig desinfiziert.

Mit pinken Händen gegen unzureichende Desinfektion

Patienten stecken sich oft mit gefährlichen Keimen an, die übertragen werden von Ärzten oder anderen Patienten. Der Grund: Die Hände wurden nicht richtig desinfiziert.

Mit pinken Händen gegen unzureichende Desinfektion

Ein Startup-Preis, für den es kein Geld gibt? Was soll das denn bringen? Ziemlich viel, wenn man eine zutiefst konservative und stark regulierte Branche knacken will.

Ohne den Titel „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ hätten es die Gründer von Heyfair viel schwerer gehabt, die Krankenhaushygiene neu zu erfinden. „Der Wahnsinn geht weiter,“ sagt Robert Hellmundt und lacht schicksalsergeben. „Nur auf einem höheren Niveau.“ Was die Lage in seinem Startup Heyfair in doppelter Hinsicht beschreibt.

Die gute Seite des Wahnsinns: Da ist dieses Millionen-Investment, das eine Beteiligungsgesellschaft und eine Gruppe von Business Angels aufgelegt hat. Endlich Personal aufbauen, Maschinen kaufen, die Produktion hochfahren. Runway für etwa zwei Jahre, in denen Heyfair sich auf dem Markt etablieren will.

Mit Design-Methoden Probleme lösen

Die schlechte Seite des Wahnsinns: Das Geld kommt und kommt nicht und die drei Gründer müssen sich noch krummer machen als sonst, um den Betrieb am Laufen zu halten mit Geld, das sie irgendwo zusammenkratzen. Dabei hätten sie gerade jetzt wirklich andere Prioritäten, jetzt, da sie mit ihrem ersten Produkt in den Markt drängen.

Heyfair will eines der größten Probleme des Gesundheitssystems angehen: Patientinnen und Patienten stecken sich mit gefährlichen Keimen an, die übertragen werden von Ärztinnen, Pflegern, anderen Patienten und Besuchern – weil die sich nicht richtig die Hände desinfiziert haben. Sie wollen zeigen, wie man mit Design-Methoden Verhalten ändern und Probleme lösen kann. Was sie auch zum Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ gebracht hat. „Alex wollte immer genau diesen Titel haben“, sagt Robert, „weil der einfach zu seinem Mindset passt: Sich als Kreativer in die Wirtschaft einmischen und etwas bewegen.“ Was genau in dem Markt, den die beiden sich ausgesucht haben, extrem schwer ist. „Hygieneprobleme betreffen die gesamte Gesellschaft. Da kann es ein Riesen-Vorteil sein, dass man mit dem Pilotentitel Teil eines Netzwerks wird, das so gute Kontakte in die Politik hat. Denn die Politik definiert, welche Standards wie zu erfüllen sind.“

Schon in den Jurygesprächen hätten sie Menschen gegenübergesessen, die sie ebenso stark herausgefordert wie vorangebracht hätten. „Dazu kommt das Presseecho, das wir über die Auszeichnung bekommen haben. Man hat wirklich gespürt, wie sich bei unseren Gesprächspartnern die Einstellung gegenüber unserer zugegeben unkonventionellen Idee geändert hat. Die Skepsis schrumpfte. Plötzlich glaubten viel mehr Menschen daran, dass unser kurzzeitig sichtbares Desinfektionsmittel wirklich funktionieren und Gutes bewirken kann. Vorher mussten wir meisten viel Überzeugungsarbeit leisten, jetzt passiere das ohne unser Zutun.

Hände desinfizieren, was kann daran so kompliziert sein? Unter den Spender halten, sprühen, verreiben, fertig. „Dachte ich auch, ist aber komplett falsch“, sagt Robert. Es ist eine Wissenschaft für sich, die richtige Menge Desinfektionsmittel lange genug an alle Stellen der Hände zu bringen. Aber nur wenn das gelingt, schützt die Desinfektion auch wirksam vor Erregern. „Das lernst du auch nicht durch Schaubilder, das musst du dir wirklich erarbeiten. Die Fingerkuppen und Daumen zum Beispiel sind immer ganz spannend“, sagt Robert.

Die Lösung ist Pink

In regelmäßigen Schulungen müssen Angehörige verschiedener Berufe das Desinfizieren mit einem fluoreszierenden Farbstoff üben. Getestet wird das Resultat dann, indem man seine Hände in eine Box unter UV-Licht hält, die das Ergebnis sichtbar macht. „Wahnsinnig unpraktisch. Man sieht nur, dass es Probleme gibt, lernt aber nicht, sie zu beheben. Vor allem kann man die Desinfektion nur einmal üben, weil sich der Farbstoff kaum abwaschen lässt. Der tatsächliche Lernerfolg ist so recht gering.“ Die Alternative von Heyfair: Ein pflanzlicher Farbstoff, der beim Einreiben intensiv pink ist und sich nach zwei bis drei Minuten wieder entfärbt. Wodurch man laufend sieht, ob man alle Handpartien erwischt hat, genug Desinfektionsmittel verwendet und lange genug gerieben hat – und das so oft man möchte.

Auf die Probleme beim Desinfizieren war Alexander gestoßen, und nach ein paar langen Parkspaziergängen war den beiden klar: Das ist die Idee, mit wir da rausgehen und als Designer etwas verändern wollen. Vor dem wissenschaftlichen Anspruch hatten die beiden großen Respekt und banden deswegen zuerst ein Forschungsinstitut ein, um den Prototypen zu entwickeln.

„Kriegen wir hin“, habe es geheißen, sagt Robert. 60.000 Euro und ein halbes Jahr Zeit sollten genügen. „Und als wir die ersten 12.000 Euro ausgegeben hatten, stellte sich heraus, dass kaum etwas klappte und der Weg zum Prototypen noch sehr weit war. Und statt ‚kriegen wir hin‘ hieß es jetzt ‚Wollt Ihr nicht lieber etwas anderes machen?‘“

Wollten sie nicht. Stattdessen holten sie sich die wissenschaftliche Kompetenz ins Gründerteam. Robert und Alexander beantragten ein EXIST-Gründerstipendium, stellten drei Chemiker ein, von denen einer ihr Mitgründer wurde. Unter der Leitung von Holger Wondraczek stand die ganze Truppe monatelang im Labor, und die beiden Designer lernten auf die harte Tour, wie frustrierend Wissenschaft sein kann, wenn wieder und wieder einfach nichts funktionieren will. Und dass es auch nach dem Heureka-Moment nicht unbedingt leichter wird.

Die Heyfair-Truppe stieß auf eine Gruppe von natürlichen Farbstoffen, mit denen sie genau die erhofften Effekte erzielen konnten. Jubel, Trubel, Patentanmeldung. Womit wir beim eingangs erwähnten Wahnsinn wären, denn auch um dieses Patent dreht sich die Verspätung in der Finanzierungsrunde.

Es liegt nicht am Patent selber, „darauf ist unser Anwalt mit Recht ziemlich stolz“, sagt Robert. Es liegt daran, wie es in der Gründungsphase in die GmbH eingebracht wurde, was jetzt einige Nachbeben nach sich gezogen hat. „Es gibt einige Klauseln im deutschen Recht, die für sich genommen schon ziemlich realitätsfern sind. Und dann widersprechen sie zum Teil noch EU-Richtlinien. Das führt erst zu ratlosen Gesichtern und dann zu Galgenhumor.“ sagt Robert. „Letztlich konnten wir das lösen, aber es ist schon sehr ärgerlich, wie viel Zeit man mit solchen Formalitäten Zeit verliert.“

Aber mit Überraschungen jeder Art gehen die Gründer inzwischen routiniert um, soweit man eben Routine in den Wahnsinn bekommen kann. Und Aufgeben war nie eine Option: „Wir wollten endlich mal aus einer Idee ein Produkt machen, das wirklich jemandem nützt.“

Der nächste große Schritt soll dann 2019 folgen: Den Heyfair-Farbstoff in die Produkte der großen Hersteller einführen, damit nicht nur in der Ausbildung, sondern auch im Alltag jeder sehen kann, wer wirklich sterile Hände hat.